Rila-Gebirge – das Wandern ist des Müllers …

Zunächst geht es von Sofia aus zu Bulgariens Touristenattraktion Nr. 1, dem Rila-Kloster. Das orthodoxe Kloster des Iwan von Rila wurde zu Ehren des gleichnamigen Eremiten bereits im 10. Jahrhundert gegründet, die meisten der heute erhaltenen Teile stammen aus dem 19. Jh.  Es ist das bedeutendste und größte Kloster Bulgariens, in dem aber nur 9 Mönche leben (Hier geht es zum Wikipedia Eintrag).

Der Plan ist, in dem wunderschön gelegenem Kloster zu übernachten und dann eine 2-Tageswanderung im Rila-Gebirge zu unternehmen. Der Plan geht nicht ganz auf, da es am nächsten Tag entgegen der Wettervorhersage regnet. Ich habe seit Wochen keinen Regen mehr gesehen und blicke irritiert gen Himmel. Ich beschließe noch eine Nacht im Kloster zu bleiben und lerne beim Abendessen Angel kennen. Er ist Busfahrer einer argentinischen Reisegruppe, hat aber keine Lust auf die schnatternden Argentinier und setzt dich zu mir. Angel kann ganz passabel Russisch und ich kann alle meine Fragen zu den  Lebenshaltungskosten und über das Verhältnis der Bulgaren zum Kommunismus los werden.

Dann geht es aber los: ich mache vom Kloster zur Iwan-Wasow-Hütte eine der schönsten Wanderungen meines Lebens. Es geht durch einen Laubwald mit uralten Eichen, vorbei an etlichen Felsen zu einer malerischen Hochebene, auf der die Hütte liegt. Ich würde am liebsten alle 5 min. stehen bleiben und „Ach“ und „Oh“ rufen. Die Hütte ist eine ziemliche Überraschung, die Wirte, ein Pärchen und der Koch, sehen aus, als kämen sie gerade von einem Bagwan Camp, die Wände sind irgendwie indisch-esoterisch bemalt, ein paar Räucherstäbchen müffeln friedlich vor sich hin. Aber die Hippies haben die Sache gut im Griff, es gibt ein leckeres Kichererbsencurry zum Abendessen, die Stockbetten in den Schlaflagern sind bequem und von den Toiletten könnte sich auch so manche bayerische Hütte eine Scheibe abschneiden.

Da ich keine Lust habe, am nächsten Tag schon wieder abzusteigen und im engen Bus herumzufahren, beschließe ich noch ein paar Tage im Rila-Gebirge zu bleiben. Das Rila-Gebirge ist ein Wanderparadis, Hütten mit Schlaflagern, einfachem Essen, Trink- und Teewasser liegen in Tagesmarsch-Entfernung von einander entfernt. Ich treffe höchstens alle 4-5 Stunden auf andere Wanderer, ansonsten habe die Berge und die Stille für mich allein. Oft bleibe ich ganz andächtig stehen und höre – nichts. Das Rila-Gebirge ist eher sanft, auch wenn sich hier mit dem Musala (2.925 m.) der höchste Berg des Balkans befindet. Dazwischen gibt es aber auch dramatische Täler und einen See nach dem anderen. Letztendlich wandere ich dann 5 Tage vom Rila-Kloster bis zum Musala-Gipfel, zu dem eine Seilbahn führt (und auf dem es natürlich nicht einsam ist), mit der ich dann ins zurück ins Tal nach Borowets schwebe. (Hier sind ein paar Bilder, die etwas besser sind als meine Handyfotos)

In der nettesten Hütte übernachte ich am dritten Tag. Ich komme nach 12 h Wandern (reine Netto-Gehzeit 10,5 h) ziemlich fertig  in der Hütte „Ribni Ezera ( Fischseen)“ an, seit 2 h sehe ich vor meinem geistigen Auge ein Bier und eine warme Mahlzeit. Die Stube der Hütte sieht aus wie der Speisesaal eines Schullandheims, das gerade Betriebsferien hat, sämtliche Stühle sind auf die Tische geklappt. Aber ganz am Ende des riesigen Raums sitzt ein altes Mütterchen an einem Holzofen und kocht Pfirsichmarmelade ein – die Hüttenwirtin. Im Laufe des Abends gesellen sich noch drei irgendwie zur Hütte gehörende Herren dazu und da es keine weiteren Gäste gibt, werde ich zum Familienabendessen eingeladen. Am Ende des Abends habe ich eine beachtliche Sammlung von Trinkgefäßen vor mir: eine Teetasse, ein Wasserglas, ein Rakia-Glas (Grappa), ein Mastika-Glas (Anisschnaps), ein Rotwein-Glas und ein Cola-Glas, da die Männer darauf bestehen, dass es total lecker ist, auf den Rotwein einen Schluck Cola zu trinken.

Borowets, einer der ersten Skiorte Bulgariens und Endpunkt der Seilbahn vom Musala ist dann ein ziemlicher Betonschock, aber da die Wandersaison quasi schon vorbei und die Skisaison noch fern ist, ist es schön ruhig. Der zweite Schock ereilt mich als ich im Hotelzimmer in den Spiegel schaue: ich habe einen Sonnenbrand an den Armen und mein Gesicht ist so braun, dass die Ränder der Sonnenbrille zu sehen sind.

Auf der Fahrt zum Rila-Kloster: Honig am Straßenrand – um diese Zeit ein vertrauter Anblick in ganz Osteuropa
Das Rila-Kloster lockt nicht umsonst tausende von Touristen an
Berühmt sind die Fresken, die sehr anschaulich zeigen, was den Sündern droht. Der oder die Künstler hatten viel Freude an der Darstellung der Hölle und ihrer Bewohner.
Mein Klosterzimmer
Alle Wanderwege sind hervorragend ausgeschildert oder markiert.
Aufstieg zur Iwan-Wasow-Hütte
Pferde auf der Hochebene
Die Iwan-Wasow-Hütte, leider habe ich vergessen, ein Foto von innen zu machen.
Die meisten Hütten werden mit Pferden beliefert.
Bergseen im Morgenlicht. Die ersten Tage zücke ich noch bei jedem See den Fotoapparat.
Morgenstimmung im Tal des Maljowiza-Gipfel
Auf dem Maljowiza-Gipfel (2.729), es ist ganz schön windig.
Die Hütte Ribni Ezera von außen …
…und von innen.
Auf dem Weg zum Musala, dem höchsten Ziel der Tour.
Die Gondelfahrt dauert 25 lange Minuten, in denen ich vor Angst 1000 Tode sterbe.
Borowets besticht durch Beton
Schopska-Salat und Rakia – die bulgarische Antwort auf griechischen Salat und Grappa.

Ein Kommentar

  1. Seeehr interessanter Beitrag!
    Ich hätte ein paar Fragen zu deiner Bulgarien-Wandertour und würde mich freuen, wenn du mich per Mail kontaktierst!
    Viele Grüße, K

    Antworten

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