Im Zug von Berlin nach Warschau ist mir aus unerfindlichen Gründen das Städtchen Słubsk („Swubsk“) an der Ostseeküste eingefallen. Słubsk wurde im Krieg weitgehend zerstört und ist daher recht unspektakulär. Hauptattraktion ist ein gut erhaltenes kleines Schloss aus dem 16.Jh., in dessen Erdgeschoss sich eine recht langweilige volkskundliche Ausstellung befindet
Im ersten Stock ist dagegen eine höchst spannende Ausstellung des expressionistischen Künstlers/Schriftstellers Stanisław Ignacy Witkiewicz („Staniswaw Ignazi Witkiewitsch“) mit Künstlernamen Witkacy („Witkazi“), der aus Geldnot Portraits anfertigte, bei denen der Auftraggeber die Drogen wählen konnte, die der Künstler bei Anfertigung des Portraits einnahm. Diese wurden dann in Form der chemischen Formel neben der Signatur vermerkt.
Mir war Witkiewicz bis zum Besuch des Museums unbekannt und wäre es auch geblieben, wenn mir nicht eine Freundin den Besuch des Museums ans Herz gelegt hätte. Trotzdem gilt er als ein bedeutender Künstler und vor allem Autor der (polnischen) Moderne, der auch heute noch aktuell zu sein scheint. In seinem Hauptwerk Unersättlichkeit erfand er die Murti-Bing-Pillen, die in kondensierter Form eine Weltanschauung enthalten. Wer die Pillen schluckt, übernimmt diese Weltanschauung ohne jede Einschränkung, wird heiter und zufrieden und gegen jede Form metaphysischer Bedenken immun.
Witkiewicz wurde 1885 in Warschau geboren, 1939 floh er vor der Wehrmacht in den Osten Polens, wo er sich nach Übergabe der Gebiete an Russland selbst tötete. Zu Słubsk hat er tatsächlich keinerlei Verbindung. Die Stadt kaufte trotzdem 110 Werke vom Sohn eines befreundeten Arztes des Künstlers. Weitere 40 Werke wurden seinem Zahnarzt abgekauft. Warum wird in der Ausstellung vielleicht erklärt – aufgrund mangelnder Polnischkenntnisse konnte ich es nicht ergründen.