Chernivtsi (deutsch oft Czernowitz oder Tschernowitz) liegt in der Bukowina, einem Landstrich mit bewegter Geschichte, der lange der östlichste Teil von Österreich-Ungarn war und deutlich ärmer als Galizien. Heute befindet sich ein Teil der Bukowina in Rumänien, der andere Teil in der Ukraine (hier geht es zur Geschichte der Bukowina).
Chernivtsi hatte eine relativ kurze Blütezeit von ca. 1875 bis zum WWI. Damals lebten in der Stadt vor allem Deutsche, Österreicher, Ruthenen, Rumänen, Polen und Juden. Im WWII wurden die deutsche nicht-jüdische Bevölkerung „heim ins Reich“ gebracht, ein Teil der Juden wurde von den Sowjets als Klassenfeind nach Sibirien deportiert, der andere wurde Opfer des Holocaust. Heute leben in der Stadt vor allem Ukrainer. Bekannte Persönlichkeiten der Stadt sind Paul Celan, Rose Ausländer und Gregor von Rezzori.
Bei der Ankunft wähne ich mich in einem ein bisschen heruntergekommenen Wien. Kein Wunder, viele Architekten aus Wien waren auch hier zugange. Die Stadt hat den gleichen „Ich war mal reich, berühmt und mächtig“-Flair wie die österreichische Landeshauptstadt. Davon geblieben ist eine gewisse Weltläufigkeit und Metropolenhaftigkeit. Trotzdem ist es es irgendwie provinziell. Insgesamt finde ich es sehr charmant.
Es gibt eine Hauptsehenswürdigkeit, die Universität, die auch UNESCO Weltkulturerbe ist. Als ich vor dem Bau stehe überlege ich kurz, ob ich in einer Art osteuropäischen Hogwarts gelandet bin. Ein weiteres Highlight ist das Jugendstil Theater, ansonsten ist Czernowitz eine Stadt zum „Dasein“. Ich schlendere herum und entdecke immer noch eine hübsche Straße und noch ein schönes Jugendstil-Haus und noch eins und noch eins… Dazwischen gibt es viele Cafés ganz im Stile der Wiener Kaffeehäuser und allerlei hippe Läden.
Ich mache mich zum jüdischen Friedhofs auf (dem größten „erhaltenen“ in Europa), von dem ich in Erinnerung habe, das es auch einen Extrateil mit muslimischen Gräbern gibt. Falls es so ist, kann ich diese leider nicht finden, ich bräuchte eine Machete um durchzukommen. Irgendwann bin total zerkratzt und gebe auf.
Da mein Shampoo leer ist, begebe ich mich in einen ukrainischen „dm“, eine schicke Kette, die Eva heißt. Es gibt nur eine ukrainische Shampoo-Marke, die ich aus Solidarität natürlich kaufe.
Eine lustige Entdeckung mache ich beim Frühstück: „Kascha“ (Getreidebrei, gern zum Frühstück genommen) heißt jetzt „Поридж“ (Porridge) und ist total hip. Ich unterhalte mich ein bisschen Café-Besitzer, er ist guter Dinge. Der Ansturm auf Lviv, bringt auch etliche Touristen nach Chernivtsi. Und die Ukrainer selbst haben das Reisen im eigenen Land ebenfalls entdeckt.
Da alles etliche Griwna kostet, wird mir nur langsam klar, wie günstig alles für uns ist. Ein Doppelzimmer für mich allein im Hostel kostet so viel wie ein Bett im 8er-Dorm in Argentinien. 0,5 l Tee (kleinere Portionen gibt es nicht) und ein Kuchen kosten 3-4 Euro. Die Blumen, die ich einer Babuschka abkaufe, kosten nicht mal einen Euro. Ich bin beschämt und schenke die Blumen dem Mädel an der Rezeption.
Robert
Hotelzimmer mit Kerouac-Poster. Toll. Ist das über dem Bett ein Zitat aus „On the Road“?
FrlHase
Weiß ich leider nicht. Es stand nicht dabei.