Kiev – Europa trifft auf weiß ich auch nicht so genau

Die Anreise nach Kiev: ich kaufe online ein Ticket, die ukrainische Bahn schickt mir einen QR-Code aufs Smartphone, im ICE-ähnlichen Zug werden die Fahrgäste nicht ganz so durchgefroren wie bei der DB, dennoch bin ich froh, dass ich eine Strickjacke mitgenommen habe.

Im Zug lese ich dann auch, dass es in Kiev unglaublich viel zu besichtigen gilt, bei der Hälfte der angepriesenen Sehenswürdigkeiten, gebe ich die Lektüre auf.

Die Ankunft in Kiev gegen Mitternacht ist überraschend. Kein ehrwürdiger alter Bahnhof aus KuK-Zeiten, sondern ein moderner Bau. Davor nicht die üblichen Buden und Chaos, sondern ein McDonalds, Kentucky Fried Chicken und Pusata Chata, eine ukrainische Kette, in der es Borschtsch, Wareniki (ukrainische Ravioli)  und andere landestypische Gerichte gibt. Während ich auf meinen Uber-Fahrer warte, sehe ich ein Hippster-Pärchen und eine Muslima mit Kopftuch.

Meine Airbnb-Gastgeber wohnen in Comfort-Town (Комфорт Таун), ein neues „europäisches“ – so die Webseite – Wohngebiet. Die geschlossene, riesige Anlage wird von Security bewacht. Hier wohnen aber keine Bonzen, sondern – mein Eindruck – eine Mittelschicht und Menschen wie Anna und Olek, die sich ein besseres Leben und einen eher bescheidenen Wohlstand ermöglichen möchte. Tatsächlich ist die Wohnung winzig. Ich schlafe im Schlafzimmer, in dem ich kaum mein Gepäck unterbringe, Anna auf der Schlafcouch in der Wohnküche (Olek ist auf Dienstreise). Aber die Wohnung ist sehr modern und die Anlage mit Bäumen und Spielplätzen ist ruhig und angenehm. Ich wohne hier gern, auch wenn sich die Häuser bizarr gegen die Sowjetbauten drum herum anmuten. Hier geht es zu einer Luftaufnahme.

Der erste Tag in Kiev beginnt mit einem Zahnarzt-Besuch, eine Krone ist herausgefallen. Die mütterliche Zahnärztin,  die mir die Panik schon von Weitem ansieht, sagt wörtlich übersetzt: „Setzen Sie sich in das Sesselchen und öffnen Sie das Mündchen. Ahh, das ist gar nicht schlimmchen, das haben wir gleich. Und da ist noch Zahnsteinchen, das machen wir auch gleich weg.“ Der Diminutiv nimmt selbst mir die Angst.

Dann geht es aber los: ich fahre zum Maidan, der seit dem Euromaidan, ein Begriff ist, und bin total begeistert. Kiev ist wirklich schön und bunt und laut und ganz anders als erwartet. Mein erster Eindruck: hier trifft tatsächlich Europa auf ähhmm ja was – ich will es „Slawien“ nennen. Ich marschiere ohne Plan los. An einer Stelle wähne ich mich in Wien, an einer anderen in Moskau und irgendwie muss ich auch an Buenos Aires denken. Kiev schafft es Anhieb in die Top 5 meiner Lieblingsmetropolen. Leider streikt irgendwann mein lädierter Oberschenkel und ich muss es auch die nächsten Tage etwas langsamer angehen.

Beim Abendessen stelle ich fest, dass das gute alte Butterbrodik gepimpt wurde und jetzt Bruscetta heißt. „Butterbrod“ (бутерброд) oder „Butterbrodik“ im Diminutiv vom deutschen Wort „Butterbrot“ ist das russische Wort für belegtes Brot, das ich noch als eine Scheibe Weißbrot mit Käse oder Wurst, sehr sehr selten Kaviar in Erinnerung habe. Schmecken tut es so oder so, dazu trinke ich ukrainisches Craftbeepr (VarVar), das das beste Bier auf der Reise bisher ist.

Als nächstes geht es dann mit den berühmten Sakralbauten weiter.

Der Maidan mit Minon
Zuckerbäcker-Stil, oft geschmäht, ich kann mich nicht durchringen, ihn hässlich zu finden
An Prachtbauten ist kein Mangel.
Die „weinende Frau“ – ein berühmtes Jugendstil-Gebäude
Kiew liegt auf Hügeln – darum gibt es eine Standseilbahn. Ein Kleinod aus den 60ern, leider ist ständig einer durchs Bild gelatscht.
Comfort Town – Blick aus meinem Fenster
Georgische Küche ist sehr beliebt – hier Pchali, eine Creme aus Gemüse, Walnüssen und Koriander.
Ukrainische Bruscetta (ehemals Butterbrod) mit eingesalzener Gurke, Zunge und Hüttenkäse mit Moosbeere (bei uns Cranberry)

 

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